Wachstumsfaktoren in Kosmetik

Wissenschaftlicher Hintergrund von
Dr. med. Anja Braunwarth

Dr. med. Anja Braunwarth ist Medical-Tribune-Redakteurin und TV-Journalistin. Sie wurde im Jahr 2014 mit dem Beitrag „Früherkennung bei Morbus Bechterew“ mit dem Medienpreis der Deutschen Vereinigung Morbus Bechterew geehrt.

Allgemeines:

Kolostrum von Kühen (bovines Kolostrum/engl. Colostrum, kurz BC) ist schon sehr lange als gesundes Lebensmittel bekannt. Zuletzt konstatierte 2015 ein Review, dass BC zu den sehr vielversprechenden „Nutriceuticals“, also den Mischprodukten aus Nahrungsmitteln und Pharmazeutika im Hinblick auf Prävention oder Abschwächung verschiedenster Krankheiten bei Kindern und Erwachsenen gehört.

Die Autoren schreiben die positive Wirkung der Fülle an Immunogenen, antimikrobielle Substanzen und Wachstumsfaktoren im BC zu. Sie begünstigen die Entwicklung von Geweben sowie die Ausreifung von Gastrointestinaltrakt und Immunsystem. Dazu kommt, dass Laktoseintolerante nach dem Genuss von BC sehr viele weniger unter Beschwerden leiden als nach dem Konsum von Milch und im Hinblick auf Nebenwirkungen gilt es generell als sicher und gut verträglich. 1)Bagwe S et al. J Complement Integr Med. 2015 Sep;12(3):175-85. doi: 10.1515/jcim-2014-0039.

Die Wirkung von Kolostrum in Kosmetika:

Die positive Wirkung des Kolostrums auf die Haut beruht zu einem wesentlichen Teil auf den darin enthaltenen Wachstumsfaktoren (Growth factors, GF) wie dem Epidermal Growth Factor (EGF), dem Nerve Growth Factor (NGF), dem Transforming Growth Factor (TGF) oder dem Fibroblast Growth Factor (FGF). Wachstumsfaktoren dienen dazu, Informationen zwischen Zellen auszutauschen und die Zellteilung anzustoßen. Damit fördern sie z.b. die Wundheilung und die Regeneration verschiedener Gewebe. An der Haut entfalten sie aber unabhängig von Wunden auch einen Anti-Aging-Effekt, indem sie unter anderem das Hautzellwachstum begünstigen und die Kollagenbildung stimulieren.

Das belegen inzwischen mehrere Studien:

Ein spezieller Komplex aus bovinem Kolostrum, B-Vitaminen, essentiellen Aminosäuren und Mineralien bewirkte nach acht Wochen bei 15 Testpersonen eine signifikante Verbesserung von Hauttension (22%) und Tonizität (26%). Zugleich erhöhte sich die Hautdicke signifikant, das Faltenvolumen nahm im Vergleich zu Placebo um 800 % ab. In vitro zeigte sich eine erhebliche Anregung der Kollagenbildung. 2)Pentapharm 2004

2007 untersuchten Forscher eine Creme mit einer Mischung aus Wachstumsfaktoren und Zytokinen, die ebenfalls das Wachstum und die Entwicklung von Zellen beeinflussen und im Kolostrum enthalten sind 3)Gold MH et al. J Drugs Dermatol. 2007 Feb;6(2):197-201.. Die Creme reduzierte bereits nach einem Monat periorbitale4)Periorbital = Im Bereich der Augen und periorale5)Perioral = Im Bereich des Mundes Falten signifikant, außerdem besserte sich das Hautbild am Kinn. Nach 60 Tagen zweimal täglicher Anwendung zeigten 83 Prozent der Probanden einen verbesserten Faltenscore im Bereich der Augen, 50 Prozent in der Mundpartie.

Das gleiche Forscherteam analysierte die Hautveränderungen unter der Creme anschließend noch mit speziellen 3-Aufnahmen, um die Befunde zu objektivieren 6)Gold et al., J Drugs Dermatol. 2007 Oct;6(10):1018-23.. Die Bilder zeigten nach zwei Monaten zweimal täglicher Anwendung einen Rückgang der Hautrauigkeit um 10-18 Prozent.

2008 erschien eine Studie, in der Wissenschaftler die Wirkungen der Wachstumsfaktor/Zytokinmischung klinisch, histologisch und strukturell untersuchten 7)Hussain M et al., J Cosmet Laser Ther. 2008 Jun;10(2):104-9. doi: 10.1080/14764170701885392.. Die Teilnehmer trugen die Creme über sechs Monate zweimal täglich im ganzen Gesicht auf. Davor und danach fotografierten die Mediziner die Probanden und entnahmen Biopsien aus der Region vor dem Ohr. Die Anwendung minderte die periorbitalen und perioralen Falten vom Ansehen her um 33 bzw. 25 Prozent. In der Histologie fanden sich moderate Änderungen der epidermalen Dicke und eine vermehrte Fibroblastendichte in der oberflächlichen Dermis. Mit dem Elektronenmikroskop ließen sich ultrastrukturelle Entwicklungen im Sinne neuer Kollagenformationen darstellen.

2012 erschien eine Studie an 29 Frauen im Alter von 39-75 Jahren mit lichtbedingten Hautalterungserscheinungen 8)Schouest JM et al. J Drugs Dermatol. 2012 May;11(5):613-20.. Sie wendeten über drei Monate zweimal täglich in Ergänzung zu einem Sonnenschutz und Gesichtsreiniger ein EGF-Serum an. Bereits im ersten Monat fand sich eine deutliche Besserung von Linien und Falten, Hauttextur, Porengröße und Pigmentierungen, die sich im weiteren Verlauf fortsetzte.

Eine klinische Untersuchung aus dem Jahr 2013 wies mittels Immunfluoreszenz und Immunhistochemie nach, dass EGF und FGF1 die Zellentwicklung und Kollagenanreicherung in der Haut förderten und Falten reduzierten 9)An JJ et al., J Cosmet Dermatol. 2013 Dec;12(4):287-95. doi: 10.1111/jocd.12067.. Außerdem schützen die Wachstumsfaktoren vor UV-bedingten Schäden. Was die Sicherheit und Verträglichkeit von EGF angeht, ergab schon 2009 eine Auswertung, dass die Faktoren auch auf lange Sicht keine gravierenden Nebenwirkungen haben 10)Berlanga-Acosta J et al. Int Wound J. 2009 Oct;6(5):331-46. doi: 10.1111/j.1742-481X.2009.00622.x..

Referenzen / Hinweise

Referenzen / Hinweise
1 Bagwe S et al. J Complement Integr Med. 2015 Sep;12(3):175-85. doi: 10.1515/jcim-2014-0039.
2 Pentapharm 2004
3 Gold MH et al. J Drugs Dermatol. 2007 Feb;6(2):197-201.
4 Periorbital = Im Bereich der Augen
5 Perioral = Im Bereich des Mundes
6 Gold et al., J Drugs Dermatol. 2007 Oct;6(10):1018-23.
7 Hussain M et al., J Cosmet Laser Ther. 2008 Jun;10(2):104-9. doi: 10.1080/14764170701885392.
8 Schouest JM et al. J Drugs Dermatol. 2012 May;11(5):613-20.
9 An JJ et al., J Cosmet Dermatol. 2013 Dec;12(4):287-95. doi: 10.1111/jocd.12067.
10 Berlanga-Acosta J et al. Int Wound J. 2009 Oct;6(5):331-46. doi: 10.1111/j.1742-481X.2009.00622.x.